Wie: zu Fuß.
Empfohlene Dauer: ein halber Tag.
Beste Jahreszeit: das ganze Jahr über.
Länge: ca. 3 km.

Eine „Reise“ zum Mittelpunkt von Aosta entlang der römischen Stadtmauern, um die Türme der Stadt und ihre faszinierende Geschichte zu entdecken.

In römischer Zeit formte die Stadtmauer der Augusta Praetoria ein 724 m mal 572 m großes Rechteck, erreichte eine Höhe von rund 7 Metern und bestand aus Schotter und Mörtel, die von Travertinblöcken verkleidet wurden.
Jedes Stadttor verfügte über zwei Türme, dazu kamen vier Ecktürme und acht weitere Türme: insgesamt also zwanzig. Aufgrund ihrer Anzahl, ihrer deutlichen Orientierung nach außen und des Anscheins, den ihnen die doppelt angeordneten Bogenfenster auf allen vier Seiten verleihen, wird angenommen, dass sie nicht nur der Verteidigung sondern auch der Zierde dienten: Die Stadtmauer musste nämlich eine deutliche Abgrenzung des Stadtgebiets darstellen.
Die Jahrhunderte nach dem Untergang des römischen Reichs waren vom Verfall Aostas gekennzeichnet, viele verließen die Stadt; im Laufe des Mittelalters begannen die Bewohner zurückzukehren, die Häuser konzentrierten sich vor allem an den Hauptstraßen und die Adelsfamilien errichteten ihre Herrenhäuser und Schlösser direkt an der Stadtmauer. Viele der ehemaligen Bastionen wurden zu feudalen Wohnsitzen umgebaut, einige Türme wurde angehoben und verändert, wobei die Außenseite der Mauer oft abgetragen und für die Umbauarbeiten verwendet wurde.
Noch heute kann der Großteil der römischen Stadtmauer mit einigen Türmen oder deren Überresten zu Fuß besichtigt werden.

Der Rundgang beginnt beim Stadttor Porta Praetoria, das als das imposanteste der vier römischen Stadttore gilt und als monumentaler, ideologischer und symbolischer Eingang zur Kolonie Augusta Praetoria Salassorum interpretiert wird.
Dieses Stadttor besteht aus zwei parallel verlaufenden Kurtinen, die jeweils drei Torbögen aufweisen; der Zwischenraum, der von den beiden Kurtinen umschlossen wird, diente ursprünglich als weitläufiger Waffenhof. Der große mittlere Torbogen konnte mit Fuhrwerken durchquert werden, während die seitlichen Durchgänge dem Fußvolk vorbehalten waren. Die großen Blöcke der nach außen gerichteten Verkleidung des Mauerwerks, die auf der westlichen Seite noch heute besichtigt werden können, bestehen aus klastischem Sedimentgestein (natürliche Ablagerungen in Fließgewässern), es wird aber angenommen, dass sie ursprünglich auch mit Travertin verkleidet wurden. An der östlichen äußeren Stirnseite des Stadttors, die nach dem Bau des Tors während der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet wurde, sind noch heute die Reste der Verkleidung aus Bardiglio-Marmor aus Aymavilles (grau-blauer Marmor aus der Region) sowie die weiße Marmorverkleidung, die wahrscheinlich aus den Steinbrüchen von Carrara stammt, zu sehen.
Die imposanten Ausmaße des antiken Mauerwerks, das noch heute gut erhalten ist, werden auch dann deutlich, wenn man bedenkt, dass sie die römische Stadt rund 2 Meter unter dem heutigen Niveau befand.

Vom Stadttor Porta Praetoria geht es weiter in die Via S. Anselmo, wobei man nach wenigen Metern nach links in die Via Hôtel des Monnaies (Via Antica Zecca) abbiegt, auf der man den Turm Tour Fromage kreuzt. Dieser Turm wurde mit großer Wahrscheinlichkeit zwischen dem 11. und dem 12. Jahrhundert errichtet und im Jahr 1381 ausgebaut und restauriert.
Dieser Turm, der sich innerhalb der archäologischen Ausgrabungsstätte des Römischen Theaters befindet und neben einigen Gebäuden aus dem Mittelalter steht, verdankt seinen Namen dem Adelsgeschlecht De Casei (im Französischen dann mit Fromage übersetzt), das ihn im Mittelalter besaß. Der Turm, der sein ursprüngliches Aussehen bewahrt hat, ist quadratisch und nicht besonders hoch, auf einer Seite grenzt er an die Stadtmauer an, auf der anderen an die Stützmauer der Böschung innerhalb der römischen Mauer.

In der nahe gelegenen Via Guido Rey hingegen steht der Turm der Balivi oder „Tour du Baillage“, der sich an der nordöstlichen Ecke der römischen Stadtmauer befindet. Auch dieser Turm wurde im Mittelalter über den Resten des römischen Nordost-Turms errichtet und befand sich im Besitz der Adelsfamilie De Palatio. Ein Name, der sich vom sogenannten „Palatium rotundum” ableitet, dem römischen Amphitheater, dessen Reste sich im Besitz der Familie befanden.
Ab 1430 diente der Turm als Sitz der Vögte, der mittelalterlichen Stadtbeamten, sowie als Gefängnis: Als solcher bestand er bis ins Jahr 1984.
Wenn man die Via Guido Rey Richtung Westen weitergeht, erreicht man die Kreuzung mit Via Xavier de Maistre, wo sich die Reste eines der Nordtürme der Stadtmauer befinden, der unter dem mittelalterlichen Namen Tour Perthuis bekannt war. Weiter geht’s über die Via Chanoux und die Via San Giocondo, historische kleine Gassen, die seit dem Mittelalter bestehen und das geistige Viertel der Stadt begrenzen. Nach und nach verschwindet die Stadtmauer aus dem Blickfeld, während der Rundgang zurück auf die Piazza Roncas führt. In dem Gebäude, in dem einst der Ordnen von der Heimsuchung Mariens und dann die Kaserne Challant untergebracht waren, befindet sich heute das regionale Archäologiemuseum MAR – “Museo Archeologico Regionale”:/de/datenbank/8/museen/aosta/regionales-archaologiemuseum/723; im Untergrund dieses Gebäudes sind heute noch die mächtigen Reste des Porta Principalis Sinistra zu sehen, das den nördlichen Eingang zur römischen Stadt bildete.
Das Museum im Rücken geht es weiter in die Via Tourneuve, die zum westlichen Teil der Stadtmauer führt. Hier rückt die Stadtmauer wieder ins Blickfeld des Betrachters, der an der Ecke übrigens auch den Turm Tourneuve (Mitte des 13. Jahrhunderts) bestaunen kann, der an der Kreuzung zwischen der gleichnamigen Straße und der Via Monte Solarolo emporragt.
Sobald man die Piazza della Repubblica erreicht hat, nimmt man links die Fußgängerzone Via Edouard Aubert, um dann sofort rechts in die Via Torre del Lebbroso abzubiegen. Der Weg führt vorbei am Gebäude der Regionalbibliothek, die über den Resten des Stadttors Porta Decumana errichtet wurde. Reste, die im Kellergeschoss der Bibliothek übrigens besichtigt werden können. Der als antike römische Bastion errichtete Turm wurde vom Adelsgeschlecht der Friour, das seit dem Jahr 1191 belegt ist, dann in einen feudalen Wohnsitz umgewandelt; im Jahr 1773 beherbergte der Turm den Aussätzigen Pietro Bernardo Guasco, der eigentlich aus der Stadt Oneglia stammte. Der Roman „Le lépreux de la cité d’Aoste“ (Die Lepra-Epidemie in Aosta), der im Jahr 1811 vom savoyischen Adeligen Xavier de Maistre verfasst wurde, hat seinen Aufenthalt in diesem Turm weithin bekannt gemacht.
Über die Via Stévenin erreicht man dann den Turm von Bramafam, der sich an der Ecke zwischen Via Bramafam und Viale G. Carducci an der Südseite der römischen Stadtmauer befindet. Das Gebäude präsentiert sich als kreisrunde Bastion, an deren Basis noch heute die Überreste des Westturms und Teile des Ostturms zu sehen sind, die sich einst neben dem Porta Principalis Dextera befanden. Darüber wurde im 12./13. Jahrhundert dann das Schloss errichtet.
Dieses Schloss von Bramafam, das normalerweise aber als Turm beschrieben wird, befand sich ebenfalls im Besitz des Adelsgeschlechts Challant. Diese Vizegrafen von Aosta entwickelten sich im Laufe des 13. Jahrhunderts zur wichtigsten aristokratischen Familie des Aostatals; danach ging der Turm in Besitz der Familie von Savoyen über, nach einigen Missgeschicken wurde er im 16. Jahrhundert dann vollständig seinem Schicksal überlassen.
Bis heute ist unklar, woher der Name dieses Turms stammt. Die Legende erzählt von einem Vertreter der Familie Challant, der seine Frau aus Eifersucht hier eingeschlossen haben soll. Bevor die Frau starb, soll sie vor Hunger (brama fam) unglaublich gelitten und geklagt haben. Andere hingegen führen den Namen auf den Umstand zurück, dass hier über einen bestimmten Zeitraum der öffentliche Getreidespeicher untergebracht war. Infolge einer schweren Hungersnot sollen sich die Bewohner der Stadt Aosta davor versammelt und um Essen gebettelt haben. Eine andere Version hingegen besagt, dass der Turm einst als Porta Biatrix bekannt war und somit auf Beatrix von Genf, die Frau des Godefroi de Challant, zurückzuführen ist; keine historisch zuverlässige Quelle kann diese Vermutung jedoch belegen.
Wenn man den Spielplatz in der Via Festaz, der auch als „Jugendgarten“ bekannt ist und zur Nordseite des Schlosses Bramafam führt, hinter sich lässt, gelangt man in die nahe gelegene Via A. Crétier. In Richtung Osten führt diese Straße weiter zum Bahnhof, wo man dann den imposanten Turm Tour du Pailleron bestaunen kann: Abgesehen vom Turm des Aussätzigen handelt es sich hierbei um den einzigen Stadtturm, der sein römisches Aussehen fast unverändert beibehalten hat. Daran haben auch die umfangreichen Restaurierungsarbeiten Ende des 19. Jahrhunderts nichts geändert, die am weitläufigen Einsatz von Ziegelsteinen erkennbar sind.
Wir nehmen die Via Cerlogne und folgen der Stadtmauer auf der Innenseite, bis wir die Kreuzung zwischen Via Festaz und Via Torino erreichen. Hier sind die Reste des Plouve-Turms zu sehen, einem der vorderen Türme der östlichen Stadtmauer von Augusta Praetoria, der sich im Mittelalter im Besitz der Adelsfamilie De Plovia befand. Von hier gelangt man in die Via Vévey, die parallel zur antiken Stadtmauer verläuft und zurück zur Porta Praetoria bringt.